Steuerrechtsurteile

Schlichte Untätigkeit der Finanzverwaltung schafft keinen Vertrauenstatbestand



Die schlichte Untätigkeit der Finanzverwaltung (hier: jahrelange Nichtbesteuerung von Schönheitsoperationen) schafft regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand, der bei einer Verschärfung der Rechtsprechung zum Erlass einer Übergangsregelung oder Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall verpflichten würde. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Rechtsfrage in der Vergangenheit umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt war.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Facharzt für Chirurgie und führte im Streitjahr 1997 unter anderem Schönheitsoperationen durch. Er erklärte insoweit keine steuerpflichtigen Umsätze. Das Finanzamt folgte dem zunächst, erließ aber im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2005 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid, mit dem es für die Streitjahre Umsatzsteuer festsetzte. Es begründete dies damit, dass inzwischen höchstrichterlich geklärt sei, dass Schönheitsoperationen nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr.14 UStG 1993 fielen.

Der Kläger beantragte eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. Vor Bekanntwerden des Urteils des EuGH vom 14.9.2000 (Rs.: C-384/98) habe die Finanzverwaltung Umsatzsteuerfestsetzungen bei Schönheitsoperationen nicht in Erwägung gezogen. Außerdem sei beispielsweise nach Verfügungen der Oberfinanzdirektionen (OFD) München und Nürnberg für Veranlagungszeiträume vor dem 1.1.2003 von Steuerfestsetzungen für Schönheitsoperationen abzusehen. Er habe im Vertrauen auf die Steuerbefreiung keine Umsatzsteuer erhoben und könne diese nicht mehr nachfordern.

Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das FG zurück. Gegen dieses Urteil wandte sich der Kläger mit der auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde und hatte hiermit ebenfalls keinen Erfolg.


Die Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtsfrage, ob ein vor dem Streitjahr liegendes schlichtes Verwaltungsunterlassen als Vertrauensgrundlage in Betracht kommt, ist bereits dahingehend geklärt, dass dies regelmäßig nicht der Fall ist.


Grundsätzlich müssen zwar allgemeine Übergangsregelungen ergehen oder Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall erlassen werden, wenn sich die höchstrichterliche Rechtsprechung verschärft oder von der allgemein geübten Verwaltungspraxis abweicht und der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage Dispositionen getroffen hat. Voraussetzung hierfür ist aber, dass ursprünglich eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechenden Rechtsauffassung bestand und die Rechtslage nicht als zweifelhaft erschien.


Eine gesicherte Rechtsauffassung liegt nicht vor, wenn die maßgebliche Rechtsfrage weder durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt war noch eindeutige Verwaltungsregelungen bestanden, sondern lediglich ein schlichtes Verwaltungsunterlassen vorlag.


So liegt der Fall hier. Im Streitjahr lag nach keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Umsatzsteuerpflicht von Schönheitsoperationen vor. Außerdem haben die damaligen UStR die Steuerfreiheit nach § 4 Nr.14 UStG an die Vornahme einer Heilmaßnahme geknüpft und wurden daher seit jeher ärztliche Gutachten, die nicht im Zusammenhang mit der Heilung von Krankheiten standen, als steuerpflichtig behandelt. Bereits 1970 hatte der BFH zudem entschieden, dass Schönheitsmassagen durch Masseure steuerpflichtig sind.


Nach diesen Grundsätzen fehlte es hier an einer gesicherten Rechtsauffassung als Grundlage eines Vertrauensschutzes. Auch der Umstand, dass einige OFD von einer anderen Rechtslage ausgegangen sind, führt nicht zur Zulassung der Revision, da es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt.


Linkhinweis:



  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.

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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 09.01.2008; Quelle: BFH online


(Meldung vom 2008-01-09)